Samuel Zuder – „Face to Faith: Mount Kailash – Tibet“

„Eine Schönheit, die man sich erobern muss“

Nach buddhistischer Lehre sollte jeder Buddhist in seinem Leben 108 Mal den Berg Kailash in Tibet umrunden. Aber der Berg – ein Versprechen von Glück und Erleuchtung – wird ebenso von Vertretern des Hinduismus, des Jainismus und der Bön-Religion verehrt. Wegen seiner außergewöhnlichen symmetrischen Form wir der Kailash auch „Juwel des Schnees“ genannt. Er liegt inmitten der Gesteinswüste der tibetischen Changtang-Hochebene. Über mehrere Wochen begleitete der Fotograf Samuel Zuder dort mit einer analogen Großformat-Kamera die Pilger auf dem rund 53 Kilometer langen Pfad um den Berg herum, den sie als Ursprung der Welt betrachten. Entstanden ist daraus das Fotobuch „Face to Faith: Mount Kailash – Tibet“, das die Faszination des Heiligen Bergs in eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen und Portraits dokumentiert.

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Der Berg Kailash in Tibet (Foto: Samuel Zuder)

 

Bernd Sobolla: Samuel Zuder, wie ist es zu diesem Buchprojekt gekommen? Sie hatten ja bisher andere Schwerpunkte im Rahmen Ihrer Arbeit. Fotoreportagen über Architektur, Musik, Stadtansichten oder Länderportraits. Das lässt nicht unmittelbar auf ein spirituelles Interesse schließen.

Samuel Zuder: Das mag tatsächlich so scheinen. Ich muss sagen, dass mein Impuls dazu nicht unbedingt ein spirituelles Interesse an diesem Ort war, sondern eher ein archaisch, geographischer Aspekt. Mich hat die Lage des Kailashs interessiert, fernab von, man kann schon fast sagen, jeglicher Zivilisation. Das erste Mal bin ich auf den Kailash gestoßen durch einen Roman von Christian Kracht. Der trägt den Titel „1979“, spielt eigentlich im Iran zur Zeit der Revolution. Und im letzten Drittel des Romans wird der Protagonist von einem weisen Menschen zum Kailash geschickt, um dort Erläuterung durch die Umrundung des Berges zu erfahren.

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Der Fotograf Samuel Zuder im Selbstportrait (Foto: Samuel Zuder)

 

Wenn es kein unmittelbares spirituelles Interesse gab, hat Ihnen dann diese Distanz für das Projekt möglicherweise geholfen?

Absolut. Ich bin in meiner gesamten Arbeit sehr interessiert an Menschen und ihren Lebensumständen. Oft sind das Umstände, die sehr unmenschlich sind oder menschenabweisend. Gerade das weckt in mir das fotografische Interesse, solche Orte aufzusuchen, mit den Menschen in Kontakt zu kommen und über die Fotos zu zeigen, wie diese Orte funktionieren.

Als Sie am Bergplateau ankamen, wie hat dort die Atmosphäre auf Sie gewirkt?

Es ist schon ein spannender Moment, wenn man den Kailash das erste Mal sieht. Die Anreise zum Kailash ist sehr umständlich. Man fährt ca. 1.500 Kilometer über reine Hochebenen, Wüste, Bergpässe und man sieht den ganzen Weg über keinen Baum, keinen Strauch, nichts Grünes, sondern nur sandige Hügel, Berge und ab und an Geröll und ein paar Gebetsfahnen. Der Kailash ist sozusagen ein Solitär inmitten dieser Wüste. Und wenn man ihn das erste Mal sieht, traut man seinen Augen nicht. Das ist aus der Entfernung eine kleine weiße Spitze, die aus dem Nichts ragt. Je näher man kommt, desto mehr erfasst man die Monumentalität, die Schönheit und die Symmetrie dieses Berges.

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Schönheit der Symmetrie. (Foto: Samuel Zuder)

 

Pilger zogen stoisch ihre Kreise

Wie haben die Pilger Sie wahrgenommen: Ein Exot, ein Europäer mit Kamera um den Bauch?

Nicht unbedingt. Seltsamerweise lassen sich die meisten tibetischen Pilger nur schwer in ihrer Routine stören, diesen Berg zu umrunden. Man muss sich vorstellen: Viele kommen von Hunderten oder Tausenden Kilometern Entfernung, um dieses Heiligtum zu umrunden. Natürlich war ich schon auffällig mit meiner Crew: da war ein Assistent, ein Freund von mir, ein Fahrer mit einem Geländewagen und ein tibetischer Dolmetscher und Führer. Mein Führer war eine große Hilfe, ein absoluter Kenner des Kailashs, und er beherrscht die tibetische Sprache. Er ermöglichte es mir, Kontakte zu den Pilgern herstellen.

Die ersten Bilder wirken wenig einladend: Die Erde hat Wüstenfarbe, dazu Wasserströme, Schlamm und Geröll. Ist das nur ein visueller Eindruck?

Gerade das empfinde ich wiederum als die besondere Schönheit dieser Landschaft. Es ist tatsächlich eher eine menschenabweisende Landschaft, es ist keine sich anbiedernde Naturschönheit diese Landschaft, sondern eine Landschaft, die man sich sozusagen mit eigener Anstrengung erobern muss. Es gibt keinen Klischeekitsch, sondern es ist eine verborgene Schönheit, die man sich erobern muss, auch visuell und fotografisch.

Warum tragen viele Pilger einen Mund- bzw. Gesichtsschutz?

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Pilgerin mit Gesichtsschutz gegen Sandstürme. (Foto: Samuel Zuder)

Das ist vorwiegend ein Schutz gegen die vielen Sandstürme, die im Kailash-Gebiet immer wieder blitzartig aufziehen. Der Kailash befindet sich als solitärer Berg inmitten einer Wüste, einer Hochwüste, die über 4.500 Meter hoch ist. Und die Ebene, die sich am Fuße des Kailashs erstreckt, führt auf der einen Seite bis nach Nepal, auf der anderen Seite bis nach Lhasa.Das ist Wüstenlandschaft, und die Pilger wollen sich gegen den Staub schützen. Es gibt aber vielleicht noch eine weitere Erklärung: Der Kailash wird von vier Religionsgruppen verehrte, dazu gehören auch die Jain-Buddhisten. Das ist eine sehr friedvolle buddhistische Untergruppierung, die man vor allem in Indien findet. Und Jains pflegen ständig Mundschutz zu tragen, weil sie gegen jegliches Töten oder Verletzen von Lebewesen sind. Viele Jains tragen einen Mundschutz und fegen den Weg, auf dem sie gehen, damit sie keine Insekten oder Kleintiere verletzen.

Anreise ist die größte Anstrengung

 In Indien wird in den Heiligen Städten viel gesungen. Wie ist das am Kailash?

Ich bin mehrfach in Indien gewesen, auch an vielen heiligen Stätten, ebenso in Europa und auf anderen Kontinenten. Der Kailash ist insofern ein besonderer Ort, da er eigentlich nicht in einer ehrfürchtigen, andächtigen Stimmung bepilgert wird. Für viele Pilger ist die Anreise zum Kailash die größte Anstrengung. Und die Strecke von rund 53 Kilometern um den Berg ist dann nur noch das Tüpfelchen auf dem I. Sie reisen oft mehreren Hundert Kilometern zu Fuß an oder auf LKWs gepackt wie die Ölsardinen. Deswegen ist der Weg um den Kailash herum das Geringste. Und wenn die Pilger ihr Ziel erreicht haben, sind sie oft sehr ausgelassen und begehen diesen Rundweg, die Kora, sehr weltlich. Also sie rasten dort, sie haben oft kleine Spirituskocher dabei, machen sich eine Mahlzeit oder kochen einen Tee. Sie rauchen Zigaretten, singen, halten Schwätzchen mit anderen Pilgern und lachen viel. Also es ist eine sehr weltliche Stimmung an diesem besonders Heiligen Ort. Es ist ziemlich faszinierend, diesen Kontrast mitzuerleben. Wir wurden auch sehr oft eingeladen von den Pilgern; mein Dolmetscher konnte ein bisschen übersetzen. Sie sind sehr gastfreundlich und laden dich ein, diverse Essen zu probieren, die nach unserem Geschmacksverständnis ein bisschen schwierig sind. Es fällt dann schwer, das abzulehnen.

Wer sind die Pilger? Tibeter? Ich sehe auf den Fotos keine Westler?

Das Konzept meiner Arbeit war ein sehr stringentes. Mir war es sehr wichtig, den Ort als Heiligen Ort zu zeigen. Als Ort mit einer besonderen Bedeutung für die verschiedenen Religionsgruppen und die Menschen. Das war für mich die Einheit. Und so sollte das Buch paritätisch aufgebaut sein: Natur, Ort und Mensch als Einheit. Insofern konzentrierte ich mich nicht auf Touristen, die es aber auch gibt. Es ist zwar sehr mühsam, als Tourist zum Kailash zu reisen, aber im Jahr besuchen etwa 2.000 westliche Touristen den Berg.

Unter Bewachung des chinesischen Militärs

Wie steht die chinesische Regierung zum Kailash und seiner Bedeutung für viele Menschen? Religion und Partei passen ja nicht richtig zusammen?

Auch in China wird der Buddhismus immer populärer, und mehr chinesische Buddhisten reisen zum Kailash. China erfährt eine rasante wirtschaftliche Entwicklung, das gilt sogar für die ländlichen Gebiete. Aber Tibet und China passen für viele Tibeter nicht zusammen. Klar ist: China beansprucht Tibet als chinesisches Staatsgebiet und wehrt sich vehement gegen alle Anzeichen des Widerstandes, während viele Tibeter die Chinesen als Besatzer empfinden. Ein Beispiel: Als das Saga Dawa Festival – das ist das heiligste Fest für die Tibeter, mit dem diese die Erleuchtung Buddhas feiern – stattfand, gab es fast eine kleine militärische Invasion an einem nahegelegenen Platz am Kailaish. Das chinesische Militär hatte seine Zelte aufgebaut, Fahnen gehisst und ließ die Truppen exerzieren. Die haben dann ihren eigenen Rundweg um den Festivalplatz abgehalten. So wurde dieses religiöse Festival nur unter starker Bewachung des chinesischen Militärs zugelassen.

Ort verliert seine archaische Bedeutung

 Ausgangspunkt der Kora ist Darshen, eine geometrisch angeordnet Kleinstadt. Für Asien ist eine solche Stadtarchitektur eher untypisch.

Das hat mehrere Gründe. Man muss sagen, dass Darshen die einzige Menschenansiedlung am Kailash ist. Ursprünglich bestand sie nur aus einer Ansammlung von Zelten. Das war nicht mehr als ein kleines Camp, wo Pilger einige Ausrüstungsgegenstände erwerben konnten, wo man Yaks und Träger anheuerte. Aus dieser kleinen Siedlung ist im Laufe der Jahre diese fast schon kasernenmäßg anmutende Kleinstadt geworden. Die Chinesen sind übrigens sehr bedacht darauf, dass alle Städte und Orte in Tibet immer mehr von Chinesen besiedelt werden. Das gilt auch für Darshen.

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Darshen ist der Ausgangsort für die Pilgertour rund um den Kailash. (Foto: Samuel Zuder)

Dort gibt es inzwischen viele chinesische Geschäfte, in denen man sich alles Mögliche für die Kailash-Umrundung besorgen kann. Es gibt sogar einige Hotels. Das hat auch mit den indischen Pilger zu tun, die zum Kailash reisen dürfen. Die indischen Pilger sind finanzkräftiger als die Tibeter. Die kommen dann zum Teil mit Geländewagen und in großen Gruppen und müssen ja irgendwo unterkommen. Und so sind kleine Gästehäuser entstanden. Also die Stadt wächst wohl noch ein bisschen. Aber das ist natürlich sehr ambivalent, weil der Ort auch an seiner archaischen Bedeutung verliert.

 

Auf Seite 35 gibt es ein Foto, auf dem der Kailash so dunkel erscheint, dass er gegenüber der sandigen Ebene wie ein Fremdelement wirkt.

Es gibt auf dem Rundweg um den Kailash herum einige wenige Punkte, die einen freien Blick auf den Berg zulassen. Und das ist eine dieser markanten Stellen,  Drirapuk Gompa, das heißt Drirakpuk Kloster. Es liegt an der Nordseite des Kailash, und an dieser Stelle gibt es auch ein kleines Gästehaus. Dort befindet sich sozusagen die Paradeansicht des Kailashs, und man kann spüren, warum dieser Berg so eine magische Anziehungskraft auf die genannten Religionsgruppen ausübt. Die Spitze des Berges ist immer mit Schnee bedeckt. Wenn sie nicht von Wolken verdeckt ist, sieht sie wirklich aus wie eine Pyramide, fast wie von Menschenhand gestaltet, so symmetrisch und rein in der Form.

Plötzlich bildete sich eine lange Schlange

Im Buch sind auch viele Portraitfotos zu sehen. Wie haben die Leute reagiert auf Ihre Frage, sie zu fotografieren?

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Pilger, die die Chance wahrnahmen, ein Foto ihrer Pilgerreise mitzunehmen. (Foto: Samuel Zuder)

Anfangs war ich sehr enttäuscht, weil alle an uns vorbeigezogen. Keiner zeigte Interesse. Ich bin fast gar nicht wahrgenommen worden, trotz meiner doch etwas größeren Ausrüstung und unverkennbaren Großbildkamera. Ich habe mir dann überlegt, wie ich Zugang zu den Leuten finden kann. Als ich dann meine ersten Testaufnahmen mit meinem Assistenten machte, kam ich auf die Idee, den Pilgern zu zeigen, dass wir solche auch mit ihnen machen könnten. Und plötzlich sprang der Funke über. Es war natürlich eine einmalige Gelegenheit für die Pilger, ein Bild von sich am Heiligsten Ort ihrer Religion zum Mitnehmen zu bekommen. Und ehe wir uns versahen, standen die Pilger in einer Schlange vor meiner Kamera. Ich hatte einen kleineren Aufbau, ein bisschen Licht sogar dabei, und plötzlich konnten sie es gar nicht erwarten, fotografiert zu werden.

Moment! Heißt das, Sie hatten eine Polaroidkamera dabei? Einen E-Mail-Anschluss wird es dort oben wohl kaum geben.

Nein! Ich habe mit einer analogen Großbildkamera gearbeitet. Aber es gibt dazu Polaroid-Rückteile, die jeweils zehn Sofortbilder haben. Das ist ganz analog und physisch. Das Sofortbild braucht ca. zwei Minuten zum Entwickeln. Das reibt man ein bisschen am Körper, zieht es ab und hat ein kleines 4 x 5 Zoll großes Bildchen, das man weitergeben kann.

Auf einem Foto sieht man auch drei Kinder, ich glaube, es sind Mädchen. Waren Kinder auch allein unterwegs?

Kinder sind da nicht alleine unterwegs. Auf Seite 69 sieht man auf dem Foto eine ältere Frau mit zwei Waisenkindern, die jene sozusagen adoptiert hatte. Sie ist mit den Kindern zum Kailash gepilgert, um den Kindern, die einen schweren Schicksalsschlag hinter sich hatten, sozusagen das Höchste zukommen zu lassen, was es gibt, nämlich eine Pilgerschaft am Kailash. Das war schon beeindruckend.

 Die Energie der Gebete

 Auf Seite 135 sieht man eine riesige Fläche mit Hunderten weggeworfener Fahnen. Was hat das zu bedeuten?

Das sind keine weggeworfenen Fahnen, sondern traditionelle, tibetische Gebetsfahnen. Die findet man überall in Tibet. Aber vorwiegend werden diese Gebetsfahnen auf dem Gipfel der Pässe hinterlegt. Auf den Gebetsfahnen stehen Mantras und Gebete, die sind mit einem Holzdruckverfahren aufgedruckt worden und verwittern dort. Übersetzt heißen diese Gebetsfahnen auch Windpferde. Es heißt: Diese Windpferde tragen im Laufe der Wochen, Monate oder Jahre, die sie dort der Witterung ausgesetzt sind, die Energie dieser Gebete in die Landschaft.

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Gebetsfahnen auf dem Kailash-Rundweg. (Foto: Samuel Zuder)

Kailash Highway?

Auf einem Foto ist eine Mauer zu erkennen, die vielleicht einen Meter hoch ist. Gibt es Ansätze, eine Mauer rund um den Kailash zu bauen?

Da bin ich mir nicht sicher. Ich war ebenso erstaunt, diese Mauer zu sehen. Und ich habe bis jetzt keine Erklärung dafür. Vielleicht ist es eher ein Weg als eine Mauer. Auch mein tibetischer Führer konnte es mir nicht erklären. Aber diese Mauer lenkt die Gedanken auf ein Vorhaben der Chinesen: Um den Kailash besser überwachen zu können, plante die chinesische Regierung nämlich, 2003 eine asphaltierte Straße um den Kailash zu bauen. Die Kora sollte sozusagen…

… einen Highway bekommen?

… so ungefähr. China versucht oft, die Tibeter wohl zu stimmen, in dem die Regierung ihnen z.B. Häuser baut. Es gibt ja noch viele Nomaden in Tibet. Also die Chinesen unternehmen durchaus Anstrengungen, dass es den Menschen dort materiell besser geht. Aber dieser Weg um den Kailash herum ist natürlich ein Sakrileg. Es gab dann auch zahlreiche Proteste. Und obwohl der Weg schon vermessen war, wurden dann 2004 oder 2005 die Arbeiten eingestellt. Die Proteste hatten Erfolg.

Grandioser Moment

 Gabe es Momente im Rahmen Ihrer Reise, wo Sie das Gefühl hatten, zu einem Teil der Pilgerschaft zu werden?

Also ich war vier Wochen vor Ort, was eine sehr lange Zeit für den Kailash ist, weil es in der Regel nicht erlaubt wird, so viel Zeit als westlicher Tourist am Kailash zu verbringen. Ich habe eingangs erwähnt, dass nicht die spirituelle Bedeutung des Ortes für mich der Auslöser für das Projekt war. Ich muss im Nachhinein auch sagen, dass ich mich sehr lange Zeit mit dem Projekt beschäftigt habe, mit den Fotoaufnahmen, mit der Ausarbeitung, mit der Realisation des Buches. Der fotografische Prozess ist in dieser Höhe schwer: Wir kamen immer abends in unsere Ausgangsstation zurück. Dann mussten bis nachts um 2.00 Uhr die Filme gesichert, neue Filme eingelegt werden. Dann muss man packen usw. Der gesamte fotografische Prozess hat mich auch physisch so stark in Anspruch genommen, dass ich vielleicht für die spirituelle Magie des Ortes nicht so empfänglich war. Es gab allerdings besondere Momente: Ich erinnere mich an eine Vollmondnacht bei Drirapuk an der Nordseite des Kailash, da hatte ich wahnsinniges Glück: Ich bin nachts um 2.30 Uhr mit meinem Assistenten aufgestanden, es war eine Vollmondnacht.

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Vollmondnacht am Kailash. (Foto: Samuel Zuder)

Es waren minus 20 Grad, und wir haben uns die Arme und Beine abgefroren. Und mit einer Langzeitbelichtung von fast einer halben Stunde erzielte ich eine Ausleuchtung des Berges, die wirklich faszinierend war. Dieser Moment, den Berg bei Vollmond, fast wie von der Sonne erhellt, taghell. Wenn sich die Augen adaptiert haben, liegt die ganze Landschaft vor einem, hell erleuchtet. Das war grandios. Zudem war der Kailash zu sehen, was nicht üblich ist. Aber wir hatten Glück. Das war so ein Moment, an dem mich die Kraft des Berges wie eine Keule getroffen hat. Wo ich mir sagte: „Jetzt verstehe ich, warum dieser Berg so eine Magie und Faszination und auch so eine spirituelle Bedeutung ausstrahlt.“

„Face to Faith: Mount Kailash – Tibet”, Samuel Zuber, Hatje Cantz Verlag, Berlin, 190 Seiten, Großformat, 58,- Euro.
Website: Samuel Zuder