Hilmar Hofmann – Gründung der Kurzfilmtage Oberhausen 1954

Festivalgründung im Untergrund

1954 fuhr der damalige Filmdezernent Hilmar Hoffmann gemeinsam mit der Bürgermeisterin Luise Alberts in den Concordia-Stollen von Oberhausen, um dort in einigen hundert Metern Tiefe die 1. „Westdeutschen Kulturfilmtage“ zu eröffnen. Das war einerseits ein PR-Gag, um die Presse in die kulturpolitische Diaspora zu führen. Denn in Oberhausen gab es nur Ruß und Kohle. Andererseits wollte Hoffmann zugleich ein Signal dafür setzen, was er sich erhoffte: Nämliche Filme vorzustellen, die aus dem Untergrund kommen, die Unbekanntes zeigen und zugleich neue Horizonte eröffnen – sowohl inhaltlich als auch formal.

Bernd Sobolla: Herr Hofmann, Sie gründeten 1954 das Festival „1. Westdeutsche Kurzfilmtage“ in Oberhausen aus denen 1959 die „Westdeutschen Kurzfilmtage“ und 1991 die „Internationalen Kurzfilmtage“ wurden. Wie haben Sie die Anfangszeit erlebt?

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Hilmar Hofmann war zu Gast bei den 60. Internationalen Kurzfilmtagen 2014.

Hilmar Hofmann: Ich war Filmreferent der Volkshochschule und wollte Film zeigen, die im Dritten Reich keine Chance hatten, öffentlich gezeigt zu werden. Also Filme aus Frankreich, aus den Vereinigten Staaten und aus den damaligen sogenannten Ostblockstaaten. Das entwickelte sich schnell zu einem Publikumserfolg, so dass die Presse schrieb: „Warum machen die in Oberhausen nicht ein Festival daraus?“ Diese Anregung nahm ich auf und kam auf die Idee, das erste Festival der Welt zu gründen, das in der 7. Sole einer geschlossenen Zeche eröffnet wird. Und so sind wir dann in die Zeche Concordia mit dem Förderkorb und jeweils 12 Personen runter gefahren. Luise Albertz, die damalige Oberbürgermeisterin, hielt 20 Mal denselben Eröffnungsvortrag. Und die übrigen, die oben warteten, hatten gleichzeitig in dem damaligen Kasino Gelegenheit Filme zu sehen. Da wir immer nur einen 5-Minutenfilm zeigten, um der Ankündigung Genüge zu tun, waren wir dann nach einer Stunde fertig.

Wie ist es dann weiter gegangen?

Dann überlegten wir mit dem deutschen Volkshochschulverband: Was könnte die Zielsetzung sein? So kamen wir auf die Idee, dem Ganzen ein Motto zu geben: „Weg zum Nachbarn“, lautete der Titel. Wir wollten uns öffnen für die Kultur und besonders für die Filme, die hinter dem sogenannten Eisernen Vorhang entstanden.

Kann man sagen, dass die Kurzfilmtage ein Gegenentwurf zur politischen Atmosphäre der Adenauer-Zeit war?

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Jeden Abend herscht am ersten Mai-Wochende vor der Oberhausener Lichtburg ein reges Treiben – das Festivalpublikum versammelt sich.

Ja, ganz eindeutig. Wir steuerten durch die Programmauswahl dagegen. Und da über die Filme auch berichtet wurde, über ihre Inhalte und zusammengefasst über die Tendenz des Festivals, glaubten wir, ein Gegengewicht zur verkrusteten Adenauer-Republik zu setzen. Das warf uns die Bundesregierung auch vor und entzog uns die Bundesmittel, da wir die Ostpolitik von Willy Brandt flankierten. Dem widersprachen wir auch nicht. Obwohl das nicht unsere Absicht war.

Was waren damals die größten Hürden, ein solches Festival auf die Beine zu stellen?

Die größten Hürden waren eben die, dass die Bundesregierung gegengesteuerte und uns als Rotes Festival diffamierte. Das veröffentlichten wir und erzeugten so reichlich Gegenwind. Deswegen ließ man uns dann in Ruhe. Der interministerielle Ausschuss hatte die ersten Jahre Filme aus dem Ostblock beschlagnahmt, weil die angeblich ideologisch verseucht waren. Wir zeigten die Filme dann aber trotzdem, weil die Produzenten zweite Kopie mitgebracht hatten. So klärten wir darüber auf, wie die Bundesregierung versuchte, uns zu zensieren. Das konnten wir sozusagen bildhaft zur Diskussion stellen.