Elena Solte – Film im Fremdsprachenunterricht

Ein Leitfaden von „Vision Kino.de“ soll Lehrern helfen, Filme im Fremdsprachenunterricht einzusetzen

Wenn Lehrer den Schulalltag etwas anders gestalten wollen, dann zeigen sie im Unterricht durchaus mal einen Film oder sie gehen mit ihren Schülern im Rahmen eines Wandertages ins Kino. Einige wenige Pädagogen machen noch einen weiteren Schritt: Sie nutzen das Medium Film regelmäßiger, um ihre Unterrichtsinhalte zu vertiefen oder vielschichtiger darzustellen. Das gilt z.B. für den Fremdsprachenunterricht. Denn eine Sprache lernt man auch beim Hören und die visuellen Zusammenhänge erleichtern das Verstehen. Allerdings setzen die Pädagogen Filme nur selten systematisch ein. Denn dazu würde vor allem ein größeres Konzept gehören. Genau das bietet jetzt das Internetportal „Vision Kino“. „Vision Kino“ hat nämlich einen „Praxisleitfaden: Film im Fremdsprachenunterricht“ veröffentlicht, in dem Lehrerinnen und Lehrer Methoden, Tipps und Informationen für den Umgang und die Arbeitsmöglichkeiten mit dem Medium Film finden. Ein Gespräch mit der Autorin Elena Solte.

 

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Elena Solte ist Autorin des Praxisleitfadens: Film im Fremdsprachenunterricht (Foto: Bernd Sobolla)

Bernd Sobolla: Elena Solte, was sind die wichtigsten Aspekte, die Sie den Pädagogen mit dem neuen Leitfaden auf den Weg geben wollen?

Elena Solte: Es geht darum, dass die Lehrer ihre Scheu überwinden, Filme im Original zu zeigen, weil sie möglicherweise glauben, ihre Schüler damit zu überfordern. Wir wollen die Pädagogen ermutigen und ihnen helfen, das Potential zu erkennen, welches Film für den Fremdsprachenunterricht bietet.

 

Was sind klassische Fehler, die Lehrer machen, wenn sie versuchen, das Medium Film im Unterricht einzusetzen?

Im Fremdsprachenunterricht könnte es der Fehler sein, dass sie sich zu stark auf den sprachlichen Aspekt konzentrieren und den Film nicht als Einheit von Dialogen und Bildern verstehen, weil gerade im Film die Sprache auch über die Hilfe der Bilder zu verstehen ist.

Wie wähle ich den richtigen Film aus?

Zunächst geht es um die Frage, was gerade die thematische Einheit in meinem Unterricht ist und mit welchen Schülern, mit welcher Altersgruppe habe ich es zu tun habe: Was interessiert meine Schüler? Welche Filme sehen meine Schüler gerne? Im Fremdsprachenunterricht ist dann natürlich auch ausschlaggebend, die sprachliche Komplexität vorher einzuschätzen. Also die Frage, ob Dialekte gesprochen werden oder Slang, also Milieusprache. Eventuell möchte ich auch diese sprachlichen Varietäten direkt thematisieren. Und dann ist natürlich auch essentiell die Frage, welche Hilfsmittel ich brauche. Zum Beispiel ob es Unterrichtsmaterialien schon gibt. Ob eventuell sogar ein Drehbuch zur Verfügung steht, das ich zur Hilfe nehmen kann. Oder ob es sich bei dem Film um die Literaturverfilmung eines Romans handelt, den ich gerade im Unterricht behandle. Grundsätzlich gilt bei der Filmauswahl, dass Hilfsmittel oder Materialien zur Verfügung gestellt werden, z.B. durch die Filmtipps von Visionkino.de oder Kinofenster.de Hierzu haben wir Tipps im Leitfaden.

Aber wenn die Protagonisten in Slang oder in schwer verständlichen Dialekten sprechen, dann ist das doch ein grundsätzliches Problem, oder?

Egal, wie gut man eine Fremdsprache beherrscht, die meisten haben Schwierigkeiten, wenn Slang gesprochen wird. Grundsätzlich ist es aber so, dass man dabei Gesprächssituationen erlebt, die es oft auch im realen Leben gibt. Eigentlich eine ideale Situation. Allerdings muss ein Lehrer, wenn er weiß, dass Slang gesprochen wird, die Schüler mit Hilfsmitteln vorbereiten (z.B. Slang-Wörtern oder Redewendungen).

In Ihrem Leitfaden taucht der Begriff intralinguale Untertitel auf. Was ist darunter zu verstehen und wie sollte man diese einsetzen?web_leitfaden1

Von intralingualen Untertiteln spricht man, wenn diese in derselben Sprache sind wie die Dialoge. Grundsätzlich sollen Untertitel Hilfsmittel sein. Man muss aber aufpassen, dass man diese nicht von Anfang an und ständig einsetzt, dass die Schüler nicht auf das Lesen konditioniert werden. Von daher bietet es sich immer an, wenn eine Szene häufiger gezeigt und gesehen wird, sie einmal ohne Untertitel zu sehen, einmal mit Untertitel, eventuell auch mal ohne Tonspur, dann mit Tonspur. Es ist immer gut, mehr Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, mit denen eventuelle Verständnislücken gefüllt werden können. Bei den originalsprachlichen Untertiteln ist es auch eine interessante Möglichkeit, diese mit den deutschen Untertiteln zu vergleichen.

Reagieren die Schüler unterschiedlich interessiert, wenn sie Dokumentarfilme oder Spielfilme sehen?

Man könnte jetzt davon ausgehen, dass Dokumentarfilme eventuell bei Schülern weniger beliebt sind als Spielfilme. Diese Erfahrung machen wir konkret nicht. Also bei den Schulkinowochen sind Dokumentarfilme wie gerade aktuell „Auf dem Weg zur Schule“ von Pascal Plisson einer der meist gebuchten Filme. Auch „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt“ wird viel und häufig gesehen.

 

Ist es nicht besser, mit DVDs zu arbeiten als ins Kino zu gehen? Es ist möglich Szenen zu wiederholen, anzuhalten, um kurz darüber zu sprechen, etc.

Das hängt davon ab, worauf man abzielt, wenn man sich entscheidet, einen Film im Unterricht zu behandeln. Wenn ich mich auf die sprachliche Arbeit konzentrieren möchte, ist es sinnvoll, einen Film im Unterricht zu sehen, wo ich eben, wie Sie sagen, wiederholen kann, anhalten kann, Verständnisfragen klären kann. In dieser Situation kann man auch besser aufs Detailverständnis eingehen. Im Gegensatz dazu lässt man sich im Kino auf die Gesamtsituation ein und muss Durststrecken auch mal überwinden lernen, in denen man vielleicht nicht alles versteht. Man lernt dabei aber durch den Kontext zu verstehen. Dann gibt es den berühmten Begriff der Frustrationstoleranz. Einfach geduldig zu sein, wenn man gerade mal nicht genau weiß, was da jetzt gesagt wurde, sondern einfach zu warten. Vielleicht erschließt es sich in der nächsten Szene oder der im schlimmsten Fall im Gespräch im Anschluss.

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Das Glossar umfasst zwölf Seiten mit Fachausdrücken und Beschreibungen in Englisch, Französisch und Spanisch.

Der Leitfaden geht auch auf das Schreiben von Exposés, Treatments, Drehbüchern ein. Sie geben sogar Tipps für die Umsetzung von Handyfilmen und Synchronisationsarbeiten. Sind das nicht Aspekte, die für den „normalen“ Lehrer zu viel zu aufwendig sind?

Wenn man davon ausgeht, dass das alles Formate sind, die Lehrer noch nicht kennen, ist natürlich die Bereitschaft, Voraussetzung, sich auf etwas Neues einzulassen. Davon muss man ausgehen. Im zweiten Schritt sind aber Exposé oder Treatment kürzere Schriftformate, die in dem Sinne dann auch vergleichbar sind mit einem Aufsatz, den man schreibt oder einer Erörterung oder einem Artikel. Solche Dinge müssen natürlich neu eingeführt werden, weil sie wahrscheinlich nicht zum Unterrichtsalltag gehören. Aber wenn sich die Lehrer damit auseinandersetzen und eventuell was Neues lernen wollen, dann sehe ich da keine Probleme. Und was Handy-Film und Synchronisierung angeht: Bei Synchronisierungen gibt es z.B. auch Hilfsmittel speziell für den Fremdsprachenunterricht, die die technischen Barrieren zumindest vermindern. Beim Drehen von Handy-Filmen muss man vorher einschätzen können, wie versiert die Schüler sind oder wie viel technische Einführung benötigt wird. Wenn man umfassendere Filmprojekte realisieren möchte, bieten sich dafür natürlich Projektwochen an.

 

Sie schlagen sogar vor, mit Stummfilmen zu arbeiten. Ist das im Fremdsprachenunterricht nicht ein Widerspruch?

Auch wir dachten am Anfang, dass dies etwas unkonventionell sei. Aber es macht meiner Meinung nach großen Sinn. Einerseits kommt man so mit Filmgeschichte in Berührung. Man lernt, sich total auf die visuelle Ebene einzulassen, die auch bei Filmen mit Dialogen und Tonspur wiederum helfen, Dialoge und Sprache zu verstehen. Von daher ist es ein gutes Mittel, um diese visuelle Ebene verstehen zu lernen und dann auch bei anderen Filmen mit Dialogen zu verknüpfen.

 

Können Sie Beispiele nennen, wie man gut Literatur mit Filmen analysieren kann?

Wir empfehlen, nicht Literatur mit Filmen zu analysieren, sondern Filme und Literatur zu analysieren. Häufig werden Literaturverfilmungen im Unterricht geguckt, und dabei geht es dann natürlich darum, jedes Medium für sich zu verstehen. Es ist interessant, sich bestimmte Szenen oder Charaktere im Buch und im Film anzuschauen, in Beziehung zu setzen. Und auch zu gucken: Wie wird hier im Roman oder im Film das eine oder andere zum Ausdruck gemacht. Von daher hilft der Film oder auch der Roman, das jeweilige Medium besser zu verstehen.