Andreas Leimbach-Niaz – 11mm das Fußballfilm-Festival

„11mm“ – Wenn der Fußball über die Leinwand rollt

 Das internationale Fußballfilm-Festival lädt zum 13. Mal nach Berlin (17.-23. März)

web_babylon

Babylon-Kino in Berlin-Mitte: Fast eine Woche passt das Runde perfekt auf die eckige Leinwand.

Die Bundesliga geht allmählich in ihre entscheidende Phase, in der Champions-League kämpfen die Teams um den Einzug ins Final, und das Berliner Olympiastadion hat bereits seine mobile Marathontribüne aufgebaut, damit für das DFB-Pokal-Endspiel noch mehr Zuschauer Platz finden. Kann es einen besseren Termin geben, um ein Fußballfilm-Festival zu veranstalten? Wohl kaum! In sechs Tagen zeigt das Festival „11mm“ über 70 Kurz- und Langfilme aus 24 Ländern. (in den Kinos: Babylon-Mitte, Filmtheater am Friedrichshain und City-Kino Wedding) Darunter vier Welt- und 27 Deutschlandpremieren. Andreas Leimbach-Niaz ist einer der drei Festivalleiter.

 

Bernd Sobolla: Andreas Leimbach-Niaz, als Eröffnungsfilm zeigt „11mm“ den Film „Goal“ von Ross Devenish und Abidin Dino. Es ist der offizielle Fifa-Film zur Fußballweltmeisterschaft 1966 in England, gedreht in Farbe und im Cinemascope-Format. Gibt es 50 Jahre nach Wembley noch etwas Neues zu entdecken?

Andreas Leimbach-Niaz: Wir sind ja Fußballromantiker und deswegen hat uns das Thema gereizt. Natürlich ist es schön, wenn man einen Aufhänger hat, in diesem Fall 50 Jahre. Und manchmal reicht es auch, sich intensiv zurück zu erinnern und die damaligen Ereignisse mit dem zu vergleichen, wo wir heute stehen. Wahrscheinlich hätte die neue Torlinientechnik das „Wembley-Tor“ innerhalb von Sekunden „aufgefressen“, und schon kurze Zeit später, hätte niemand mehr darüber geredet. Stattdessen ist das „Wembley-Tor“ nach 50 Jahren noch immer ein großes Thema. Deshalb haben wir auch drei Spieler von damals hier, also Sigi Held, Horst-Dieter Höttges und Max Lorenz. Ich glaube, dass das ein guter Zeitpunkt ist, sich noch mal an die gute alte Zeit zu erinnern.

web_podium

„Und ewig fällt das Wembley-Tor“: Drei Männer, die 1966 dabei waren und sich sicher sind, dass das dritte Tor kein Tor war. Von links nach rechts: Sigi Held, Philipp Köster (Chefredakteur „11 Freunde“), Max Lorenz und Horst-Dieter Höttges.

„11mm“ geht ins 13 Jahr. Wie hat sich das Festival im Laufe dieser Zeit verändert?

web_andreas-leimbach-niaz

Andreas Leimbach-Niaz ist einer von drei Festivalleitern.

Wir haben sehr klein angefangen. In unserem ersten Jahr, das war 2004, hatten wir eine Hand voll britischer Fußballfilme. Die zeigten wir in einem Hinterhofkino in der Nähe vom Hackeschen Markt. Dort fing alles an, und uns war selbst nicht klar, was daraus werden würde. Es war zunächst einfach nur eine kleine Filmreihe. Und die hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir gesagt haben: „Dann lass uns doch ein Festival machen und schauen, wie viele Jahre wir damit durchhalten!“ Im zweiten Jahr zeigten wir dann europäische Filme, und im dritten Jahr liefen Filme aus der ganzen Welt. Für einen Moment dachten wir, dass damit dann Schluss sei. Aber  stattdessen entdeckten wir immer mehr sehenswerte Filme. Und so ging es immer weiter. Parallel dazu haben wir hartnäckig daran gearbeitet, uns auch einen Namen zu machen und ein Stammpublikum aufzubauen. Und das hat geklappt.

Wenn man auf die Auswahl der diesjährigen Filme schaut, fällt zum einen eine große Vielfalt auf: Da gibt es historische Werke und Kinderfilme, Portraits (Christiano Ronaldo und Paul Gascoigne) und Derby-Filme. Es gibt aber auch soziale Dokumentarfilme wie „Sur la route avec Socrates“ über Daniel Cohn-Bendits Brasilienreise währender WM 2014 oder „Calash“, der zeigt, wie sich Vertreter der ärmeren Schichten auf die WM in Südafrika 2010 vorbereiten. Welchen Stellenwert haben solche Filme für „11mm“?

Die sind ganz wichtig. Das war auch immer unser Anliegen, nicht nur zu unterhalten, sondern wirklich zu Diskussionen anzuregen, nachdenklich zu stimmen und Leute hier einzuladen, die dann auch Lust haben, darüber zu reden. Also den Film als Anlass nehmen, um zu sagen: „Hier sind Sachen nicht in Ordnung. Was kann man da ändern?“ Das hat auch immer gut funktioniert. Ich glaube, dass sind Dinge, die sich die Leute merken, im nächsten Jahr wieder kommen und sagen: „So ein Forum wie hier ist wichtig; das müsste es häufiger geben!“

Stimmt es, dass die Dokumentation über „Ronaldo“ von ihm selbst produziert wurde?

Wir haben das zunächst vermutet, weil es eine Dokumentation über Messi gab, und er zu dem Schluss gekommen sein könnte, dass er so etwas auch bräuchte. Auf jeden Fall hat er der Produktion zugestimmt. Aber es ist nicht so, dass das eine Eigenproduktion wäre. Er hat sie aber zugelassen und hat einen sehr intimen Einblick gewährt. Und wir sind alle sehr positiv überrascht. Das Werk wirkt keineswegs wie ein Werbefilm. Christiano Ronaldo hat wirklich Nähe zugelassen. Und es ist absolut sehenswert, hinter die Fassade zu blicken, weil dort vielleicht ein anderer steckt, als wir es vermuten.

Wie hat sich das Publikum im Laufe der Jahre verändert? Gab es am Anfang vielleicht nur Cineasten und heute nur Fußballbegeisterte – oder umgekehrt?

Am Anfang waren wir sehr männerlastig. Und ich weiß noch, als wir dann Filme wie „Le Yeux Dans Les Bleus“ über die französische Nationalmannschaft zeigten (mit Zinédine Zidane und Bixente Lizarazu), dass damals Männer ihre Freundinnen mit ins Kino brachten. Und wir alle waren total positiv überrascht, dass „11mm“ auch außerhalb der Fußballverrückten angekommen war. Mittlerweile ist das Publikum ziemlich bunt gemischt. Also man erlebt bei uns nicht nur das klassische Stadionpublikum –  im Gegenteil. Es sind die, die dem Fußball auch kritischer verbunden sind, sich durchaus für einen Verein interessieren, aber nicht jede Woche ins Stadion gehen. Die fühlen sich bei uns im Kinostadion besonders wohl.

Die Kulturstiftung des DFB ist einer der Sponsoren des Festivals. Ich vermute, sie stemmt das Gros der Kosten?

Das ist richtig. Hinter „11 mm“ steht ja eigentlich unser Verein „Brot und Spiele e.V.“ Und die wichtigste Unterstützung bekommen wir durch die DFB-Kulturstiftung, mittlerweile seit fünf Jahren. Und nur durch diese Unterstützung können wir das Festival auf diesem Niveau präsentieren, können in ein so großes Kino gehen, wie hier im Babylon in Berlin-Mitte. Das ist ganz wichtig, und es gibt uns eine Verlässlichkeit, auch frühzeitig mit der Planung fürs nächste Jahr anzufangen. Es gab Jahre, da hatten wir sechs Wochen vorher noch immer nicht das Geld zusammen und wussten nicht, wie wir das Festival finanzieren sollen. Das ist, Gott sei Dank, vorbei.

web_große_momente1

Ein Bild von Osvaldo Casanova: Sebastian Schweinsteiger im WM-Finale 2014.

„11mm“, das sind nicht nur Filme und Diskussionen. Es gibt auch ein Rahmenprogramm mit Lesung und die Bilderausstellung „Große Momente der Fußball-Geschichte“ von Osvaldo Casnova. Der Künstler hat legendäre Fußballszenen auf Leinwand verewigt, z.B. Zidanes Kopfstoß im WM-Finale in Berlin (2006) oder Roger Millas Makossa-Tanz nach seinen Toren an der Eckfahne (WM 1990 in Italien). Wie sind Sie auf die Bilder von Osvaldo Casanova gestoßen?

Wir haben ihn letztes Jahr in einem Artikel im Zeit-Magazin entdeckt. Dort wurden  seine Bilder und Illustrationen aus der Serie „The big moments of football history“ vorgestellt. Die fanden wir großartig. Sie sind auffällig, anders, originell. Deshalb haben wir mit Osvaldo Kontakt aufgenommen und haben uns mit ihm in Mailand getroffen. Dort hat er uns erzählt, dass er noch nie in Berlin gewesen sei und dass seine Fußballausstellung auch nie außerhalb Italiens gezeigt wurde. Daraufhin haben wir ihn zum Festival eingeladen. Das ist auch ein ganz wichtiger Ansatz des Festivals: Nicht nur den reinen Fußballfilm zu zeigen, sondern auch Lesungen und  Ausstellungen zu veranstalten. Auch das erweitert das Netzwerk und das Angebot für Leute, die sich zum Beispiel über das Thema Kunst mit dem Thema Fußball auseinanderzusetzen.

web_osvaldo_casanova

Osvaldo Casanov: Bildender Künsterler aus Italien.

 

Was für Lesungen können wir erleben?

Wir hatten gehofft, dass Hans Tilkowski kommen würde, der hat ein sehr schönes Buch geschrieben: „Und ewig fällt das Wembley Tor – Die Geschichte meines Lebens“. Leider konnte er nicht kommen…

„11mm“ ist in Berlin Zuhause, aber das Festival wandert oft weiter. Wo können Fußball-Interessierte die Filme noch sehen?

Wir haben in der Tat schon weite Kreise gezogen: Wir sind 2011 anlässlich der Frauenfußball-WM in Deutschland durch alle Spielorte getourt. 2012 waren wir in der Ukraine und in Polen und 2014 in Brasilien. Dort sind wir vom Goethe-Institut eingeladen worden. Mittlerweile kommen diese Anfragen immer häufiger. Außerdem gibt es eine Kooperation mit dem brasilianischen Fußballfilmfestival, „Festival Cinefoot“. Die Festivalmacher sind diesmal hier bei uns. Und in zwei Monaten wird einer von uns die Freude haben und nach Brasilien fahren. Außerdem hoffen wir, dass wir in diesem Jahr auch unsere Kooperation mit Brüssel fortsetzen können. All das wird während des Festivals beschlossen, weil viele unserer Partner hier in Berlin sind. Wir haben neun internationale Fußballfilmfestivals zu Besuch, u.a. aus Japan, Australien und Brasilien. Das ist ein riesiges Netzwerk geworden. Und somit ergibt sich die Möglichkeit, „11mm“ auch in anderen Ländern zu präsentieren.

Auch innerhalb Deutschlands? In Dortmund gibt es doch inzwischen das Fußball-Museum?

Ja, da gibt es eine ganz neue Kooperation. Wir haben nämlich eine Anfrage vom Deutschen Fußballmuseum bekommen. Die werden ab Mai ein sogenanntes Montagskino veranstalten. Also eine Fußballfilmveranstaltung im eigenen Kino des Museums. Da dürfen wir das Programm gestalten und den jeweiligen Film mit Gästen vorstellen. Das ist natürlich eine große Auszeichnung.

Wann beginnt das?

Anfang Mai. Da fangen wir an und werden als ersten Film „Im Derbydreieck“ präsentieren.