Jaafar Abdul Karim – “Shabab Talk”

„Dann kam der Arabische Frühling, und wir wollten etwas machen, was den Dialog unterstützt”

„Shabab“ heißt auf Arabisch Jugend. Und „Shabab Talk“ ist wohl die populärste Talk Show in arabischer Sprache. Die kommt allerdings aus Deutschland, genauer gesagt von der Deutschen Welle in Berlin. So ist es auch kein Wunder, dass nur wenige Leute hierzulande Jaafar Abdul Karim kennen, der in den arabischen Ländern ein Star ist. Denn Karim ist der Moderator von Shabab Talk, nach Auskunft des Senders die erfolgreichste Jugendfernsehsendung für arabische Jugendliche in der über das Internet vernetzten Welt. In den arabischen Ländern sehen bzw. klicken Millionen junge Zuschauer das interaktive Gesprächsformat an. In „Shabab Talk“ geht es um Meinungs- und Religionsfreiheit, um Menschenrechte, soziale Probleme und Sexualität. Oder wie gerade auf der Berlinale: um junge arabische Filmemacher und ihren Einfluss auf die Gesellschaft in Zeiten von Kriegen und Konflikten.

 

Bernd Sobolla: Jaafar Abdul Karim, wie sind Sie zum Moderator von Shabab Talk geworden?

Jaafar Abdul Karim: Ich wollte bei einem Sender arbeiten, der international ist, der verschiedene Nationalitäten und Kulturen miteinander verbindet. Denn das entspricht meinem eigenen Hintergrund. Ich bin durch verschiedene Kulturen geprägt. Und so bin ich bei der Deutschen Welle gelandet. Ich habe mich ganz normal beworben, es hat ein Bewerbungsgespräch gegeben und wir haben uns geeinigt. Und daraus hat sich eine ziemlich tolle Geschichte entwickelt.

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Jaafar Abdul Karim ist nicht nur der Moderator von „Shabab Talk“, er ist auch ein Star für die arabischen Jugendlichen.

 

Was für Ziele verfolgen Sie im Rahmen Ihrer Karriere?

Ich glaube ganz fest an einen Dialog. Ich glaube daran, dass wir viel mehr miteinander reden sollten. Ich glaube an Menschen, die sich äußern, die so sind, wie sie sein wollen. Das ist genau der Journalismus, der mich bewegt und antreibt. Ich möchte die Meinungen der anderen Menschen kennenlernen. Als ich vor rund fünf Jahren bei der Deutschen Welle angefangen habe, arbeitete ich zunächst für eine Sendung, die „Jugend ohne Grenzen“ hieß. Das war sozusagen der Vorgänger von „Shabab Talk“. Das war auch toll. Aber dann kam der Arabische Frühling, und wir wollten auf jeden Fall etwas Interaktives machen, was den Dialog unterstützt, eine Plattform für junge Leute aus dem arabischen Raum und Deutschland, um einander besser kennenlernen. So ist die Idee zu „Shabab Talk“ entstanden, dessen Konzept ich mit entwickelt habe. Das passte auch wunderbar zur Deutschen Welle. Alle waren sich einig: „Das ist unsere Stärke!“

Die Sendung wird nicht nur in Deutschland produziert, sondern auch in verschiedenen arabischen Ländern. Sie haben ebenfalls einen kulturell vielschichtigen Hintergrund: Ihre Eltern stammen aus dem Libanon, sie selber sind in Liberia geboren und haben in verschiedenen europäischen Ländern gelebt. Haben Sie im Rahmen Ihrer Arbeit Erfahrungen gesammelt, dass die arabischen Jugendlichen in Tunesien anders über ihre Probleme denken als ihre Altersgenossen in Marokko oder Syrien?

Ich bin für die Araber der Deutsche und für die Deutschen der Araber. Irgendwie sitze ich zwischen den Stühlen. Ich bin zwar auch ein Vermittler, aber ich sehe mich selber vor allem als Journalist. Es stimmt, ich bin in verschiedenen Kulturen aufgewachsen, bin in der Schweiz zur Schule gegangen, dann war ich in Beirut, dann habe ich hier studiert. Und zwischendurch war ich in anderen europäischen Ländern, d.h. ich habe einen Mix aus europäischer und arabischer Kultur in mir. Und wenn ich dann vor Ort bin, erlebe ich immer wieder Überraschungen. Das ist ja das Tolle. Was mich immer wieder überrascht und motiviert, ist, dass wir noch viel mehr miteinander reden sollten, weil wir uns nicht so gut kennen, wie mancher vielleicht glaubt. Es gibt nicht „die Jugend“ in arabischen Ländern, und die vielen Jugendlichen in den arabischen Ländern sollten wir noch besser kennenlernen. Das unterstützen wir durch „Shabab Talk“. Wir versuchen, allen eine Stimme zu geben.

Was sind die größten Unterschiede junger arabischer Menschen in den verschiedenen islamischen Ländern?

So kann ich die Frage nicht beantworten, weil ich nicht glaube, dass es „die Muslime“ oder „die Jugend“ in arabischen Ländern gibt. Die Jugend dort ist sehr vielfältig. Dementsprechend müsste Ihre Frage genauer sein, damit ich genauer antworten kann. Zumal Allgemeines zu sagen, meistens nicht den Dialog unterstützt.

Shabab Talk in Marokko

„Shabab Talk“ war auch in Marokko zu Gast (2015). Foto: Deutsche Welle TV

 

Ich kann es konkreter formulieren: Gibt es Probleme, die Jugendliche in Marokko haben, die es aber z.B. im Libanon oder in Saudi-Arabien nicht gibt?

Wir haben eine Sendung in Marokko gemacht und auch eine Sendung im Libanon. Da ging es um Politik: Welche Rolle spielen junge Leute in der Politik? Können sie diese mitgestalten? Und da war schon ein Unterschied in der Meinungsfreiheit zu erkennen. Die jungen Leute im Libanon können klar und frei sprechen. Und sie hatten keine Probleme, ihre Meinung in der Sendung zu äußern. In Marokko haben sich nicht alle getraut, etwas zu sagen. Auch diejenigen, die vorab ziemlich laut waren, hielten sich in der Sendung zurück. Sie dachten wohl: „Wenn ich zu frei spreche, könnte es für mich gefährlich sein.

Wie hat sich „Shabab Talk“ im Laufe der Jahre entwickelt und verändert?

Die letzten Jahre haben der Sendung auf jeden Fall eine unglaubliche Glaubwürdigkeit gegeben. Sie erzielt eine sehr gute Resonanz, und wir haben eine große Community aus den arabischen Ländern, die sich für die Sendung interessiert. Wir sprechen auch mit allen arabischen Jugendlichen. Wir waren in Marokko und in Saudi-Arabien, im Libanon, in Ägypten und in Tunesien. Sehr viele Leute schreiben uns auch. Wir sind die Stimme der Jugend in den arabischen Ländern geworden. Die Begeisterung dort für die Sendung ist einfach unglaublich groß. Und die Leute freuen sich, wenn sie mitdiskutieren können.

Was waren für Sie die schwierigsten Momente und die schönsten Erfahrungen?

Für mich ist es wichtig, dass ich nicht ein Teil der Diskussion bin, sondern die Sendung nur moderiere, die Diskussionen initiiere. Dass ich den jungen Menschen diese Plattform biete, damit sie miteinander diskutieren können. Das ist manchmal nicht einfach. Es ist immer eine Herausforderung, wenn wir eine Sendung in den arabischen Ländern machen. Bis jetzt haben wir es immer geschafft.

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Jaafar Abdul Karim will kein Berater sein, sondern sucht einfach immer nur das Gespräch, um die Menschen besser kennenzulernen.

Kriegen Sie manchmal auch Vorwürfe, ein „verwestlichter“ Moslem zu sein?

Es gibt Vorwürfe, manchmal werde ich auch beschimpft oder kriege Drohungen. Das gehört wohl alles dazu. Aber das Schönste ist, dass ich viele sehr positive Nachrichten bekomme. Es motiviert mich unglaublich, wenn ich eine Facebook Message oder Twitter Nachricht bekomme, und sich die Leute für die Sendung bedanken. Neulich meinte eine junge Frau aus Algerien: „Danke für „Shabab Talk“, denn dadurch denke ich über viele Themen ganz anders nach. Und das führt dazu, dass ich mich auch verändere und an den Diskussionen teilnehme.“ Natürlich geht es uns nicht darum, andere zu verändern. Aber wenn ich mitbekomme, wie die Leute innerlich beteiligt sind, dann motiviert das ungemein, Debatten und Dialoge weiter zu führen und Themen offen, ehrlich und klar zu diskutieren.

Sie sind auch auf dem LAgeso-Gelände in Berlin gewesen und haben dort einen Film über die ankommenden Flüchtlinge gedreht. Welches Bild haben vor allem die jungen Asylsuchenden vom Westen im Allgemeinen und von Deutschland im Besonderen?

Manche kommen hier her mit großen Erwartungen und denken, wenn sie am ersten Tag ankommen, müsste am zweiten Tag alles schon super laufen. Diese Leute haben einfach nicht genügend Informationen. Andere wissen ganz genau, wie schwer es ist, hier die ersten Schritte zu machen, und dass wir eine Debatte über Flüchtlinge  haben und darüber, wie die Zahl der Asylsuchenden reduziert werden kann. Wir waren Anfang Dezember im Libanon, um genau diesen Fragen nachzugehen. Manche Befragte haben gesagt: „Ja, ich will unabhängig davon weiterhin nach Deutschland gehen. Denn in Deutschland ist die Menschenrechtssituation auf jeden Fall besser als in meinem Land.“

Gibt es etwas, was Sie jungen Asylsuchenden raten würden, um nicht enttäuscht zu werden?

Ich bin weder Berater noch Ratgeber. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Menschen ihre eigenen Erfahrungen machen wollen und sollen. Wir würden uns sehr freuen, wenn sie schnell die deutsche Sprache lernen und sich hier integrieren würden und das Grundgesetz respektieren. Aber wie gesagt: Ich bin kein Ratgeber.