Unsere Nahrung, unsere Hoffnung
Der etwas allgemeine Begriff der „Nachhaltigkeit“ wird in den letzten Jahren von Dokumentarfilmemachern mit Leben erfüllt: So drehte Erwin Wagenhofer mit „We feed the world“ einen Film über unsere Nahrungsmittelkette, Carl Fechner thematisierte den Atomausstieg mit dem Werk „Die 4. Revolution“, und Kurt Langbein schilderte mit „Landraub“, wie Ackerland immer wertvoller – und seltener wird, weil Konzerne sie in ihrem globalen Spiel kontrollieren. Ein weiterer Film dieses Genres kommt jetzt (12. Mai) in unsere Kinos. Es handelt sich um „Hope for all – Unsere Nahrung, unsere Hoffnung“. Die österreichische Gesundheitsexpertin Nina Messinger hat sich auf den Weg gemacht, Ernährung und Gesundheit auf den Prüfstand zu stellen. Und sie stellt scheinbare Weisheiten in Frage, mit denen die meisten von uns groß geworden sind: Um „groß und stark“ zu werden, so hieß es doch immer, muss man Fleisch, Eier und Milchprodukte essen. Dabei gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen der typisch westlichen Ernährungsweise und vielen Zivilisationskrankheiten.

Die Buchautorin, Ernährungsexpertin und Filmemacherin Nina Messinger begleitet zurzeit „Hope for all“ und diskutiert mit dem Kinopublikum.
Bernd Sobolla: Nina Messinger, Sie sind Referentin im Gesundheitsbereich und haben das Buch: „Du sollst nicht töten – Plädoyer für gewaltfreie Ernährung“ geschrieben. Jetzt gehen sie weiter auf diesem Weg. Allerdings dreht nicht jede Gesundheitsexpertin gleich einen Film.
Nina Messinger: Ich bin ein Mensch, der seinen Visionen folgt. Es stimmt, ich habe das Buch geschrieben, aber es war mir nicht genug. Bilder wirken auch emotionaler als Worte. Deshalb wollte ich meine Erkenntnisse in Form eines Films vermitteln. Wobei es eigentlich gar nicht um meine Erkenntnisse geht, sondern um die von vielen verschiedenen Experten.
Was war der Ursprung für Ihre Interesse an diesem Thema: Eher Tierliebe oder unsere kranke Esskultur?
Meine Hauptmotivation waren die Tiere. Ich bin ein sehr tierliebender Mensch. Und die Art und Weise wie wir mit den sogenannten Nutztieren umgehen, ist meiner Meinung nach absolut unwürdig. Als Kind habe ich die Schlachtung einer Kuh erlebt und mir wurde der Zusammenhang zwischen einem lebenden, empfindenden Tier und dem Stück Fleisch auf dem Teller klar. Daraufhin ist mir der Appetit auf Fleisch vergangen.
In Ihrem Film sprechen ausschließlich Experten, die sich für das vegane Leben aussprechen. Die wiederum kommen aus der ganzen Welt. Warum dieser riesige Aufwand?
Mein Ziel war es, natürlich Experten für den Film zu gewinnen, die sich schon lange mit diesem Thema beschäftigen. Und es sollten wirklich profilierte Leute sein, die sich zum Thema äußern. Prof. Colin Campbell (USA) ist der Leiter des China-Cornell-Oxford-Projects, Dr. Caldwell Esselstyn (USA) anerkannter Präventivmediziner, Dr. Vandana Shiva (Indien) Umweltaktivistin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises und Dr. Claus Leitzmann (Deutschland) ist der ehemalige Direktor des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Gießen – um nur einige Protagonisten zu nennen. Deshalb haben mich meine Reisen in viele Länder geführt.

Prof. Colin Campbell (USA) ist der Leiter des China-Cornell-Oxford-Projects. Er forscht seit Jahrzehnten im Bereich Ernährung. Foto: Tiberius Film GmbH
Gab es niemanden von der „anderen Seite“, der den Fleischverzehr z.B. aus Gründen des Eiweißhaushaltes für gut befunden hätte?
Ich habe in meinem Film nicht nur Experten, die Veganer sind. Sondern natürlich auch welche, die selbst Fleisch essen, also Mischköstler, Vegetarier und Veganer. Es war mir wichtig, wirklich alle zu inkludieren. Die Studien, die in meinem Film angeführt werden, zeigen ziemlich deutlich, dass wir einen Bewusstseinsschub zu einer pflanzenbetonten Ernährung brauchen.

Dr. Vandana Shiva (Indien) Umweltaktivistin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises. Foto: Tiberius Film GmbH.
Ihr Film fällt in zwei Teile: Gesundheitsprobleme im ersten Teil, Umgang mit Tieren im zweiten. Wie kam es zu dieser Teilung; ist diese im Schnitt entstanden?
Das stimmt nicht ganz. Im Prinzip gibt es drei Teile: Der Film beginnt mit dem Gesundheitsteil, dann kommt der Umweltteil und am Schluss widme ich mich den Tieren. Ich habe mich für diese Herangehensweise entschlossen, weil es mir wichtig war, das Thema aus vielen verschiedenen Seiten zu beleuchten.
Ich kann mir vorstellen, dass es in der Industrie wenig Leute gibt, die das, was Sie fordern, nämlich die Hinwendung zur veganen Ernährung, unterstützt. Was haben Sie davon im Rahmen ihrer Filmarbeiten erlebt?
Wir dürfen nicht vergessen, dass ein Großteil der Wirtschaft natürlich von der Tierausbeutung lebt. Egal ob das jetzt die Fleischindustrie ist, die Milchindustrie, die Futtermittelindustrie oder die Pharmaindustrie usw. Also es ist ganz klar, dass diese Industrie leben möchte. Sie heißt es nicht gut, wenn Bürger umdenken und keine tierischen Produkte mehr verzehren möchte.

Veganes Essen ist allmählich auch in Supermärkten präsenter. Foto: Tiberius Film GmbH
Aber warum Sie nicht z.B. einen Vertreter von Nestlé oder einem anderen großen Unternehmen zum Thema Ernährung vor die Kamera geholt?
Gegenmeinungen finden wir überall. Wir brauchen nur die Magazine anzuschauen, die Werbung anzuhören, oder das nehmen, was wir in der Schule lernen. Mir war es einfach wichtig mit „Hope for all“ der bewussten, pflanzenbetonten Ernährung Raum zu geben. Darauf wollte ich mich konzentrieren.
Sie betonen, dass die fleischbetonte westliche Ernährung viele Krankheiten hervorruft. Dazu gibt es inzwischen verschiedene Studie. Gleichzeitig aber werden die Leute immer älter – besonders im Westen. Ist das nicht ein Widerspruch: Je schlechter wir uns ernähren, desto früher müssten wir doch sterben?
Wir werden vielleicht älter, aber die Frage ist: In welchem Zustand werden wir denn alt? Viele junge Leute nehmen heute schon Medikamente. Und ich denke, sobald wir Medikamente nehmen, sind wir nicht mehr gesund. Also die Lebensspanne ist vielleicht länger geworden, aber die Gesundheitsspanne meiner Meinung nach nicht.

Hühner am Fließband, bis zu 40.000 in einer Massentierhaltung, rund 25 Tiere pro Quadratmeter. Foto: Tiberius Film GmbH.
Was war für Sie die wichtigste Erfahrung mit Rahmen Ihrer Filmarbeiten?
Als ich mit dem Film begonnen habe, war ich mir schon bewusst, dass die Produktion und der Konsum von tierischen Produkten sehr weitreichende Auswirkungen auf Tiere, Umwelt und Gesundheit hat. Aber diese Tiefe und Intensität der Folgen war mir nicht klar. Es ist wirklich schlimm zu sehen und zu erkennen, wie wir Tiere behandeln wie ein Produkt, nur damit wir ein Stück billiges Fleisch und einen billigen Liter Milch bekommen. Das was in den Massentierhaltungen passiert, ist ein entwürdigendes Schauspiel. Und 98 Prozent unserer Fleischwaren stammen aus der Massentierhaltung.
Was wünschen Sie sich für die Zuschauer?
Für „Hope for all“ wünsche ich mir, dass er die Zuseher zum Nachdenken und Umdenken anregt. Dass er ihnen Impulse gibt und dass er vor allen Dingen die Zuschauer an die Kraft der Eigenverantwortung erinnert. Unser Konsumverhalten hat eine unglaubliche Kraft, und diese Kraft müssen wir nützen, und zwar zum Wohle aller.
Der Film „Hope for all – Unsere Nahrung, unsere Hoffnung“ von Nina Messinger startet am 12. Main in den Kinos. Er ist 100 Minuten lang und ist im Tiberius Filmverleih.