Kristina Jaspers und Rüdiger Zill – „Frauen im Weltraum“

Fotoausstellung im Einstein Forum Potsdam

21.Oktober bis 26. Februar 2016

Nein, nicht Neil Armstrong war der erste Mensch auf dem Mond. Das war Gerda Maurus, und sie reiste bereits 1928 dorthin – in Fritz Langs Spielfilm „Frau im Mond“. Zahlreiche Astronautinnen in Film und Fernsehen sollten ihr folgen. Sie kämpften erfolgreich gegen Aliens oder einge­schleuste Saboteure, gegen mangelhafte Technik oder inkompetente Kollegen, auch wenn ihre sexy Outfits – man denke an Ripleys Feinripp­unter­wäsche in „Alien“ oder Barbarellas hautengen Lacklederdress – den realen Weltraumanforderungen kaum genügen dürften. Im Einstein Forum in Potsdam ist eine Fotoausstellung eröffnet worden, die ihnen gewidmet ist und das Motto „Frauen im Weltraum“ trägt. Die Ausstellung wird bis Ende Februar laufen. Bernd Sobolla ist der Kuratorin Kristina Jaspers (Deutsche Kinemathek) und Rüdiger Zill (Einstein Forum) auf eine Reise zum Mond, zum Mars und in ferne Galaxien gefolgt.

 

Bernd Sobolla: Frau Jaspers, wie kamen Sie auf die Idee, sich den Frauen im Weltraum zu widmen?

3kristina_jaspers

Die Kuratorin Kristina Jaspers lädt ein zu einer Reise durch 90 Jahre Filmgeschichte: „Frauen im Weltraum“. Foto: B. Sobolla

Kristina Jaspers: Man kann sagen, dass das Science Fiction Genre in den 90er Jahren fast tot war, und es ist momentan unheimlich stark in den Kinos präsent. Uns ist aufgefallen, dass eine Umdeutung der Frauenrollen stattgefunden hat. Zunehmend finden wir die Frau auch auf der Kommandobrücke oder in leitender Position einer Mission. Das wollten wir genauer untersuchen und auch die Typisierung in den verschiedenen Jahrzehnten beleuchten. Also z.B. die 60er Jahre, in denen die Frauen eher als Schauobjekte zu sehen sind. Mit kurzen Miniröcken als Ausdruck der Zeitströmung. Die 80er, wo wir plötzlich sehr düstere Science Fiction Filme erleben und wo die Frauen als taffe Kämpferinnen inszeniert werden. Oder die letzten zehn Jahre, in denen die Frauen eben nicht nur Amazonen sind, sondern reflektierende, kluge, analytische Frauen.

Die Ausstellung beginnt mit einem Foto aus dem Film „Frau im Mond“ von Fritz Lang.

Kristina Jaspers: Das Foto stammt aus dem Jahr 1928. Fritz Lang drehte damals in Babelsberg „Frau im Mond“, wobei märkischer Sand die Mondlandschaft bildete. Die Frau im Mond war Gerda Maurus. Sie hat einen Forscherlook, trägt Hose und Krawatte. Eine mutige junge Frau. Im Grunde ist sie völlig angstfrei, im Gegensatz zu ihrem Verlobten, der schnell wieder zurück zur Erde will. Ein wegweisender Film. Thea von Harbour hatte das Drehbuch geschrieben und sich auch den Titel ausgedacht. Und Fritz Lang erfand für diesen Film den Count Down. Aus dramaturgischen Gründen entschied er, dass das Rückwärtszählen den Raketenstart spannender macht.

web_Lang_Frau-im-Mond

„Frau im Mond“: Gerda Maurus fotografiert mit großem Forschergeist die Mondlandschaft. Quelle: Deutsche Kinemathek

Welche Story steckt hinter „Im Staub der Sterne“, den Gottfried Kolditz 1975/76 drehte?

Kristina Jaspers: Bei der DEFA gab es viele starke Frauenrollen. Auch Frauen, die als Kommandantinnen auf der Brücke stehen oder eine Mission leiten. Das sind ziemlich komplexe Führungspersönlichkeiten. Auch wenn sie sich schon mal in ihre mitreisenden Kollegen verlieben. In „Im Staub der Sterne“ kommt die Missionsleiterin Akala (Jana Brechová) auf einen Planeten, von dem sie und ihre Leute ein Notsignal erhalten haben. Schließlich entdecken sie, dass das Notsignal von den Ureinwohnern des Planeten stammte, die jetzt Sklavenarbeit verrichten müssen. In der Regel sind diese Frauen erfolgreich beim Führen ihrer Mission.

War das für Sie eine Überraschung?

Kristina Jaspers: Es war eine Entdeckung, auch wenn wir schon vorher von der Tendenz starker Frauen im osteuropäischen Film wussten. Es gab dort nicht so viele Science Fiction Filme. Aber die starken DEFA-Filme oder auch die russischen Filme sind ziemlich vielschichtige Werke. Sie zeigen einen multiethnischen Kurs und transportieren ein vielfältiges Frauenbild. Die Frauen werden übrigens nicht in Miniröcken gezeigt, sondern oft in langen Hosen inszeniert. Sie arbeiten als Ärztin, Kommandantin oder Pilotin. Im Film „Signale“ gibt es eine Pilotin, die ganz alleine ein Außenmanöver macht und dabei nicht einmal angebunden ist. Die männlichen Crewmitglieder scherzen zwar, aber sie macht das ganz cool. Da gibt es eine Menge zu entdecken. Viele dieser Filme wurden damals auf 70mm gedreht, sind also in einer phantastischen Bildqualität erhalten.

web_2ruediger_zill

Rüdiger Zill vom Einstein Forum weist auf die internationale Zusammensetzungen der Crews hin. Foto: B. Sobolla

 

Rüdiger Zill: Dieser symbolische Kulturalismus, den es in den 60er Jahren spätestens gab, setzt sich da so durch. Man sieht, dass es ihn nicht nur in den DEFA-, den polnischen oder sowjetischen Filmen gab. Auch im Westen wurden die Crews multinational zusammengesetzt.

Wenn ich das Foto von Raumpatrouille Orion sehe, denke ich immer an Eva Pflug (Tamara Jadelosk), die bei jeder Gelegenheit sagt: „Kommander, das dürfen Sie nicht!“

Kristina Japsers: Sie spielt in „Raumpatrouille Orion“ die Sicherheitsoffizierin Tamara Jagellovsk, die den Commander reglementiert. Wobei Dietmar Schönherr einen ziemlich kessen Commander abgibt. Das Spiel zwischen den beiden verleiht der Serie viel Anziehungskraft. Das war damals sehr reizvoll. Interessant ist zudem, dass wir mit Generalin van Dyke (Charlotte Kerr) auch noch eine brünette Gegenspielerin haben. Also es gibt eigentlich gleich zwei starke Frauenfiguren in der Serie.

Rüdiger Zill: Der Name deutet natürlich an, dass sie für die russische bzw. sowjetische Seite steht, Tamara Jagellovsk. Denn in der Zukunft gibt es anscheinend keine Ländertrennungen mehr. Und der Commander des Raumschiffs ist ein Amerikaner, Cliff Alister McLan (Dietmar Schönherr), dem Tamara Jagellovsk als Aufpasserin zur Seite gestellt wird. Da wird der Kalte Krieg aufgelöst, bis sie sich am Ende küssen. Sozusagen ein Wandel durch Annäherung.

Noch interessanter erscheint mir die Navigatorin Uhura von „Raumschiff Enterprise“ zu sein.

7_kristina_jaspers

Kristina Jaspers: Ihr Lieblingscharakter „Uhura“ im Hintergrund. Foto: B. Sobolla

Kristina Jaspers: Uhura, gespielt von Nichelle Nichols, verliert nie die Kontenance und bleibt cool, auch wenn es ganz heiß wird. Nichols war die erste Schwarze, die im US-Fernsehen einen weißen Mann küsste – und zwar Captain Kirk. Das Ganze passierte zwar unter Telekinese, also frei von Emotionen, führte aber zu einem großen Skandal. Denn in den Südstaaten weigerte man sich zunächst, die Folge zu senden. Dabei wollte Nichelle Nichols bereits nach einem Jahr aussteigen. Die Rolle war ihr zu anspruchslos. Und kein Geringerer als Martin Luther King überredete sie, dabei zu bleiben. Also er outete sich, dass er „Startrack“ guckte. Und er sagte, dass sie wirklich wichtig für die afroamerikanische Bevölkerung als Rollenvorbild sei. Dass man sieht: Schwarze können nicht nur Butler und Nanny spielen, sondern sie können auch andere gleichberechtigte Rollen im Fernsehen und im Film übernehmen.

Wir haben auch einige Mütter versammelt, z.B. die Mutter von Spock, die natürlich sehr wichtig ist. Der Vulkanier hat ja eine irdische Mutter, und sie steht für die Emotionen. Also die emotionalen Anteile verdankt Spock seiner irdischen Mutter.

Die Ausstellung zeigt auch Fotos von „2001 – Odyssee im Weltraum“. Das überrascht mich. Nicht gerade ein Film mit Charakterfrauen.

Kristina Jaspers: Aber es gibt ein wegweisendes Design zu sehen: sagenhafte Kostüme, unglaubliche tischtennisballartige Hüte und Jogginganzüge.

web_Kubrick_2001

So stellte sich Stanley Kubrick 1969 das Design der Zukunft vor (2001 – Odyssee im Weltraum) Quelle: Deutsche Kinemathek

Frauen im Weltraum scheinen für die völlige Emanzipation zu stehen. Und dann sieht man hier ausgerechnet Jane Fonda, eine der selbst bestimmtesten Schauspielerin Hollywoods, als Sexy Hexy in „Barbarella“. Passt eigentlich überhaupt nicht!?

Kristina Jaspers: „Barbarella“ ist eher ein Pop Art Film, aber auch ein Schlüsselfilm – hoch erotisch. Er beginnt ja gleich mit einem Space Striptease. Jane Fonda zieht in dem Film sowieso meistens die Kleider aus – mit einer großen Leichtigkeit. Es spiegelt wirklich den Lifestyle der Zeit. Das kann man bei Science Fiction oft sagen: Die Filme erzählen unglaublich viel über die Zeit, in der sie gedreht wurden.

Ein Star-Wars-Foto mit R2D2 – keine typische weibliche Figur, oder?

Rüdiger Ziller: Es geht eher um die Königin. Aber es ist interessant, dass Roboter, wenn sie nicht die Bedrohlichen sind, eher kindliche Züge annehmen. So dass wir fast ein bisschen auf das Kinderschema reinfallen. Das gilt auch für „Forbidden Planet“. Obwohl der Roboter dort viel größer ist, gibt es auch da ein Art Mutter-Kind-Beziehung.

Kristina Jaspers: Wir haben auch Fotos in der Kategorie „Feminine Aliens und Mutantinnen“. Das ist ein spannendes Thema, weil auch da viele Ambivalenzen mitschwingen. Sie wirken irgendwie unheimlich, vielleicht auch ein bisschen abstoßend, aber gleichzeitig anziehend. Das hat viel mit der Besetzung zu tun. Ein Foto aus „Startrack“ zeigt die Schauspielerin und Modell Iman, Gattin von David Bowie. Sie ist eine Art Zwitterwesen oder Chamäleon, das verschiedene Gestalten annehmen kann. Dann haben wir hier z.B. Mystique aus den „X-Men“. Eine ähnliche Figur. Sie ist im Grunde nackt, hat nur so ein paar blaue Bodypaintings, sieht dabei aber nicht anzüglich aus. Auch sie kann sich in jede andere Gestalt verwandeln. Das ist irgendwie reizvoll. Aber bei Mystique merkt man auch, dass das zu Identitätsproblemen führt. Denn sie weiß eigentlich gar nicht, wer sie ist.

Wir können über alle Frauen staunen. Aber die wichtigste von allen ist wohl Sigourney Weaver, die seit 1979 mit „Alien“ die Zuschauermassen ins Kino zieht.

Kristina Jaspers: Natürlich zeigen wir hier auch Ellen Ripley. Sie ist eine der spannendsten Frauenfigur – auch gebrochen muss man sagen. Zuerst denken wir an die Kämpferin, die Alien-Jägerin. Aber besonders im 2. und 3. Teil wird sie auch als Mutterfigur gezeichnet. Sie hat ihre Tochter verloren, die starb, als sie im Hyperschlaf war. Darüber trauert sie sehr. Und sie nimmt sich eines kleinen Mädchens an, Rebecca. Die adoptiert sie quasi. Und das ist natürlich auch eine Gegenfigur zu der Alien-Queen. Die Alien-Mutter will nur reproduzieren, ihre Alien-Eier beschützen. Dagegen ist Ripley auch eine empathische, fürsorgliche Mutter. In den verschiedenen Teilen verändert sich ihr Outfit: In Teil 2 als Mutter sieht sie etwas femininer aus, hat längere Haare. In Teil 3 sehen wir sie kahl geschoren in dieser Kolonie, umgeben von harten Männern. Wo sie sich beweisen muss als Kämpferin. Aber man merkt in allen Teilen, dass sie den Männern ebenbürtig ist, wenn nicht überlegen.

Im letzten Teil der Ausstellung sehen wir Jody Foster und Sandra Bullock, die, so scheint es, Frauencharakteren im Weltall eine neue Dimension verleihen.

Kristina Jaspers: Das könnte man so sagen. Mit ihnen wird der Weltraum zu einem Ort der Kontemplation. Im Science Fiction Film gibt es einerseits Actionszenen, da dominieren die Männer. Aber es gibt oft auch Szenen des Nachdenkens über das Menschsein: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Und da ist ein Film wie „Contact“ mit Jody Foster bezeichnend. Denn am Ende dieses Films weiß man gar nicht, ob sie diese Reise tatsächlich unternommen hat oder ob sie nur in ihrem Kopf stattgefunden hat. Zumal sie auf dieser Reise ihrem verstorbenen Vater begegnet. Das ist eine Situation, die wir häufiger im Film haben. Wenn man zum Beispiel an „Gravity“ denkt: Sandra Bullock beschäftigt sich mit dem Tod ihrer Tochter. George Clooney erscheint ihr, obwohl er eigentlich schon verstorben sein müsste. Der Weltraum ist ein Bereich zwischen Himmel und Erde, in dem noch mehr sein könnte.

Einstein Forum Potsdam

Neuer Markt 7

14467 Potsdam
Tel: 0331-27178-0