Frank Strobel – „Die Nibelungen“

„Filmmusik-Konzerte sind keine Modeerscheinung“

 

„Die Nibelungen“ gehört zu den großen Epen der Filmgeschichte. Der Regisseur Fritz Lang verfilmte sie 1923-24, bestehend aus den beiden Teilen Siegfried und Kriemhilds Rache. Das Drehbuch schrieb die damalige Ehefrau des Regisseurs, Thea von Harbou, unter Verwendung von Motiven des mittelhochdeutschen Nibelungenliedes. Der Stummfilm wurde 1924 in Berlin uraufgeführt. 2009 übernahm die Murnau-Stiftung die digitale Restaurierung. Anschließend wurde das Werk 2010 in der Deutschen Oper Berlin neu uraufgeführt, musikalisch begleitet von der Europäischen FilmPhilharmonie unter Leitung des Dirigenten Frank Strobel.

Strobel (*1966) ist in München im Umfeld des Kinos seiner Eltern aufgewachsen und kam schon früh mit Musik in Berührung. Er lernte das Filmvorführen und entwickelte eine enge Beziehung zur Filmmusik. Schließlich wurde Strobel Musiker und avancierte zum Dirigenten. Bis 1998 war er Chefdirigent des Filmorchesters Babelsberg. Seit 2000 leitet er die Europäische FilmPhilharmonie, die er 2000 zusammen mit Beate Warkentien gegründet hat, mit Sitz in Berlin. Unter Strobels Leitung recherchiert die Europäische FilmPhilharmonie nach Originalmusiken und Neuvertonungen sowie nach restaurierten Filmkopien.

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Gründer der Europäischen FilmPhilharmonie: Frank Strobel (photo © Robert Rabsch)

 

Bernd Sobolla: Herr Strobel, die Komposition von Gottfried Huppertz zu „Die Nibelungen“ ist im Original erhalten. Aber ebenso wichtig ist, wie man die Komposition orchestral umsetzt. Worauf kommt es Ihnen bei „Die Nibelungen“ besonders an?

Frank Strobel: Mir war es wichtig, den Stil von Gottfried Huppertz (1887–1937) ernst zu nehmen und ihn als das zu erkennen, was er ist: nämlich einer der großen Filmmusikkomponisten der 1920er Jahre, der uns tragischer Weise früh verloren ging, weil er schon mit 50 Jahren starb. Es wäre spannend gewesen zu sehen, wie er sich weiter entwickelt hätte. Er ist ja ein Komponist, der aus der Tradition des späten 19. Jahrhunderts kommt. Das gilt im Übrigen für viele, die damals nach Hollywood emigrierten, wie Korngold, Steiner usw. Huppertz versuchte, einen eigenständigen Stil zu kreieren. Und das ist ihm auch gelungen. Das sieht und hört man, wenn man die Kompositionen von „Die Nibelungen“ sieht oder von „Metropolis“.

Sie hatten für die Neuaufführung von „Die Nibelungen“ eine zweijährige Vorbereitungszeit. Wie muss man sich das vorstellen? Sie haben doch nicht jeden Tag daran gearbeitet, oder?

Nein, ganz gewiss nicht. Zumal ich ja 70 Konzerte bzw. Aufführungen pro Jahr dirigiere. Es ist so, dass hinter dem Projekt ein großes Team steht. Das Ganze spielt sich in zwei Schritten ab: Zum einen muss man sich um den Film bzw. die Filmrestaurierung kümmern. Das hat die Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung übernommen. Zum anderen hat sich die Europäische FilmPhilharmonie mit ihrem Team um die Musikrekonstruktion gekümmert. Das heißt, wie haben versucht, alle Quellen, die es gibt, die überliefert sind, zusammenzuführen, vor allem aus dem Nachlass Gottfried Huppertz´. Dazu gehört auch, die Komposition zu lektorieren. Denn auch im Originalmanuskript sind natürlich auch Schreibfehler drin. Dann fragt man sich: „Was hat er gemeint?“ Das heißt, man muss viele Entscheidungen treffen. Wir haben versucht das alles zusammenzubringen in eine, wie wir es nennen, „kritische Aufführungsausgabe“, also in ein Notenmaterial, das neu geschrieben wurde für das Orchester, mit einer neuen Partitur für den Dirigenten. Gleichzeitig gibt es aber natürlich die Aufgabe, die Musik an dem Film, so wie er jetzt überliefert ist, anzupassen und einzurichten. Da geht es um Entscheidungen: Man muss hin und wieder auch mal etwas weglassen, neue Übergänge schaffen und Ähnliches.

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Frank Strobel an seinem Lieblingsarbeitsplatz (photo © Marco Ehrhardt)

Gab es beim Studieren und Anpassen der Komposition Momente, wo Sie überrascht waren, wie er klanglich das untermalt hat, was man auf der Leinwand sieht? Oder gab es gar Momente, wo Sie dachten: „Das hätte ich anders gemacht“?

Was mich überrascht hat, war, dass er sehr stark psychologisiert, dass er von dem illustrativen Charakter oftmals abgewichen ist. Er hat sich wirklich auf die Personen konzentriert und das, was in diesen Personen vor sich geht. Er war immer bemüht, Dialoge nicht nur nachzuvollziehen, sondern ihnen eine zusätzliche Ebene zu geben. Man könnte das fast einen Kommentar nennen. Ich glaube, er war sich sehr bewusst darüber, dass die Musik wirklich den Film mit erzählen muss – dass sie eine dramaturgische Funktion hat, die weit über das Atmosphärische, das Illustrative hinausgeht.

Lassen Sie uns einen kleinen Sprung machen: Filmmusiken werden seit einigen Jahren immer öfter im Rahmen von normalen Konzerten aufgeführt. Und das Angebot wird immer größer. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass sich immer mehr Menschen dafür interessieren?

Wir kämpfen auch alle dafür, dass das passiert. Und zwar mit gutem Grund. Denn ich glaube, es gibt ein enormes Repertoire an Filmmusik, die es wirklich verdient, im Konzertsaal aufgeführt zu werden. Ebenso lohnt es sich für Komponisten unserer Zeit, für Filmkonzerte, wie wir sie immer nennen, also Stummfilme mit Live-Musik, neue Musiken dafür zu schreiben, auch wenn es überlieferte Originalmusiken gibt. Ich glaube, es ist eine eigene Kunstform, und diese Kunstform hat man wieder entdeckt. Und ich bin mir sicher, dass das nicht eine Modeerscheinung ist, sondern sich wirklich die Überzeugung durchsetzt: „Es handelt sich um eine Kunstform, über die wir noch viel forschen müssen, wo wir auch noch viel Material finden und dieses auch den Orchestern zur Verfügung stellen können.“ Denn das ist auch meine Erfahrung als Dirigent: Die Orchester lieben es, diese Musik zu spielen. Und das spricht ja eigentlich für die Musik.

 

Der Filminhalt:

Sigfried  – Teil 1

Der Jüngling Siegfried hat bei Mime als gelehriger Schüler die hohe Kunst des Waffenschmiedens erlernt. Als er erfährt, dass König Gunther und dessen Schwester Kriemhild in Worms Hof halten, will er sich auf den Weg dorthin machen. Doch sein Lehrmeister Mime ist eifersüchtig auf seinen Meisterschüler, deshalb weist er ihm einen gefährlichen Weg nach Worms, der ihn durch einen Zauberwald führt. In diesem Wald trifft Siegfried auf einen Drachen, mit dem er einen lebensgefährlichen Kampf wagen muss.

 

Kriemhilds Rache – 2. Teil

Nachdem Siegfried von Hagen von Tronje ermordet wurde, kennt seine Witwe Kriemhild nur noch ein Ziel: Rache. Mit dem ererbten Nibelungenschatz will sie Freunde gewinnen, um dadurch Rache an dem Mörder nehmen zu können.