Things to Come: Science – Fiction – Film
Wie werden wir in Zukunft leben? In keinem Genre werden faszinierendere Zukunftsmodelle entwickelt als in Science-Fiction-Filmen. Sie beeindrucken mit neuesten digitalen Techniken, spektakulären Sets und bombastischen Sound Designs. Aber in den SF-Filmen geht es auch um Fragen der menschlichen Existenz, wie die Angst vor Naturkatastrophen und Ressourcenknappheit, vor Unterdrückung und Überwachung. Was fürchten und was erhoffen wir uns? Und wo hat die Realität die Zukunft längst eingeholt? Die Ausstellung bezieht sich auf drei Szenarien von Science-Fiction-Filmen: Während „Das Weltall“ als Ort der Grenzauflösung von Raum und Zeit zu erleben ist, thematisiert die „Gesellschaft der Zukunft“ Fragen nach dem sozialen Miteinander unter den Bedingungen des technischen Fortschritts und gesellschaftspolitischer Entwicklungen. Die „Begegnung mit dem Fremden“ bzw. den Außerirdischen schließlich ermöglicht dem Menschen eine existenzielle Selbstbestimmung. Kuratiert wurde die Ausstellung von Gerlinde Waz, Kristina Jaspers und Nils Warnecke.
Bernd Sobolla: Nils Warnecke, Sie widmen sich in Ihrer neuen Sonderausstellung dem Science-Fiction-Genre. Hat der Science-Fiction-Film eigentlich immer „Hochkonjunktur“ oder gab es Dekaden, in denen das Genre eher schlummerte?

Nils Warnecke gehört zum Kuratorenteam.
Nils Warnecke: Generell hat der Science-Fiction-Film immer Konjunktur. Er ist seit seinem ersten Boom in den 1950er Jahren eigentlich nie verschwunden. In der Zeit davor gab es nur vereinzelte Filme, an die man sich noch heute erinnert. Dazu gehören zum Beispiel „Frau im Mond“ und „Metropolis“ von Fritz Lang. Dann können wir noch weiter zurück gehen zu Georges Méliès, der 1902 „Le voyage dans la lune“ („Die Reise zum Mond“) drehte. Aber das waren Ausnahmen. Deshalb kann man sagen: In den 1950er Jahren gab es den ersten Science-Fiction-Film-Boom, der bis heute immer wieder neue Wellen schlägt. Das gilt unter anderem für die Zeit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, als wir die erste Mondlandung erlebten. Man denke nur an Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“. In den 70er Jahren gab es dann eine Verlagerung hin zum Social-Fiction-Film. In der Folge der 68er-Bewegung entstanden viele Science-Fiction-Filme, in deren Zentrum soziale Themen standen. „Rollerball“, „Soylent Green“ und „Silent Running – Lautlos im Weltall“ sind drei Titel, die man in diesem Zusammenhang nennen sollte. In den 80er Jahre folgte dann „Alien“ und natürlich „Star Wars“. Wobei man sich streiten kann, ob„Star Wars“ ein Science-Fiction oder ein Märchen- und Phantasiefilm ist. Und schließlich gibt es seit den späten 90er Jahren einen Boom, der bis heute ungebrochen anhält. Vielleicht auch vor dem Hintergrund der immer interessanter werdenden Weltraumforschung. Dabei denke ich an die Marserkundung, der bemannte Marsflug, der uns irgendwann bevorstehen wird. Obama hat das ja versprochen. „The Martian“ ist ein gutes Beispiel dafür oder auch „Interstellar“. Zudem sind alle sozialen Themen hoch aktuell, von der Flüchtlingskrise über die globalen Verwerfungen bis hin zur Klimakatastrophe. Auch nicht vergessen werden sollten die Roboterentwicklung und die Genforschung. Kurz, der Fundus ist unerschöpflich.

Viele Science-Fiction-Filme zeigen Schlafkammern, in denen die Besatzung von Raumschiffen zum Teil Jahre verbringt, um die riesigen Distanzen des Weltraums im „Winterschlaf“ zu überwinden.
Viele der neueren Science-Fiction-Filme sind geprägt von katastrophalen Szenarien. Oft handeln sie von Umweltzerstörung und Diktaturen. Sehen wir diese Dystopien auf der Leinwand nur weil es interessanter ist, über Katastrophen zu berichten?
Dass die Dystopie eine so große Rolle in zukünftigen Entwürfen spielt, hat sicher damit zu tun, dass es die besseren Geschichten sind. Wenn es allen gut geht und die gebratenen Hähnchen durch die Luft fliegen, freuen wir uns alle. Aber das wäre für einen Filmplot relativ langweilig. Das Science-Fiction-Genre ist nun mal ein bildgewaltiges Genre, spektakuläre Szene und tolle Spezialeffekte sind wichtig. Also sind die dystopischen Entwürfe viel lukrativer umzusetzen. Aber sicherlich ist es wichtig zu erwähnen, dass die Filme immer viel über ihre Entstehungszeit sagen. Wahrscheinlich sogar mehr über die Entstehungszeit als über ihren jeweiligen Zukunftsentwurf. So transportiert jeder dystopische Entwurf auch den Zeitgeist. Ich erwähnte schon „Soylent Green“, der von einer verseuchten Erde handelt.

Auch die Enterprise hebt im Museum für Film und Fernsehen ab.
Auf welche Ausstellungsobjekte möchten Sie die Besucher besonders hinweisen?
Wir haben aus den aktuelleren „Star Track“ Verfilmungen die beiden Originalkostüme von Spock und Kirk in der Ausstellung. Das sind bestimmt echte Knaller. Im Zusammenhang mit Weltraum und Kostüm möchte ich erwähnen, dass die Kooperation mit dem Berliner Kostümhaus Theaterkunst großartig war. Das hat uns unter anderem zwei Kostüme aus „Raumpatrouille Orion“ nachgeschneidert.

Die Orion-Kostüme von Kommander McLane (Dietmar Schönherr) und Tamara Jagellovsk (Eva Pflug).
Das ist für die Orion-Fans sicherlich ein Grund, in die Kinemathek zu kommen. Im Ausstellungsteil „Gesellschaft der Zukunft“ gibt es viele spektakuläre dreidimensionalen Objekten. Wobei ich drei besonders hervorheben möchte: Zum einen Tars, den Roboter bzw. Computer aus Christopher Nolans „Interstellar“. Zum anderen die beiden Originalkostüme aus „The Island“ von Ewan McGregor und Scarlett Johansen, und schließlich das Alien auch „Independence Day“ (1996), eine Schenkung von Roland Emmerich.
Wenn man durch die Ausstellung geht, kann man immer wieder durch riesige Bullaugen auf Objekte und Filmausschnitte blicken. Was für ein Konzept steckt hinter dieser Ausstellungsarchitektur?
Anders als man es von Ausstellungen gewohnt ist – also Bilder an den Wänden, Vitrinen, in denen Exponate präsentiert werden, Einsatz von Medien auf Monitoren und Projektionen – haben wir uns für dieses Thema überlegt, die Besucher in Erlebnisräume zu entführen. Alle drei Kapitel der Ausstellung haben eine typische Architektur erhalten: Beim Weltraum ist natürlich ein Raumschiff sehr naheliegend. Sie erwähnten die bullaugenartigen Fenster, durch die man in die unendlichen Weiten des Alls schauen kann. Indem wir große, gigantische Projektionen hinter diese Fenster gesetzt haben, die einem die Illusion geben, mittendrin zu sein. In der „Gesellschaft der Zukunft“ haben wir die Stadt der Zukunft inszeniert. Sie können durch eine Straße gehen, haben verschiedene

So stellte sich Wim Wenders das zukünftige Berlin in „Bis ans Ende der Welt“ (1991) vor. Brandenburger Tor, Matte Painting: Hubert von Seidlein, Production Design: Thierry Flmand, Sally Campbell; Quelle: Deutsche Kinemathek – Sammlung Rolf Giesen
Baukörper, die sie auch betreten können. Sie können das Mobiliar auch benutzen, sich hinsetzen und auf die Monitore schauen. Da sind es eben besonders die beiden Gegenwelten, die in fast allen dystopischen Gesellschaftsentwürfen immer wieder auftauchen: Die weiße, gleißende Welt der Reichen, der Eliten, die die Masse der Unterdrückten beherrschen. Und dann kann man in das Ghetto gehen, in einen dunklen, eher düsteren Raum, in dem es entsprechende Exponate und Projektionen gibt. Und zum Schluss, bei den Aliens, wird es ein bisschen schwieriger. So haben wir uns entschieden, im ersten Bereich des Fremden einen schwarzen, neutralen Raum mit großen Projektionen zu inszenieren. Und im zweiten Teil gehen wir durch eine Schwingtür in ein klinisches, weißes Labor, in dem das Alien untersucht wird. Aber nicht nur das Alien wird untersucht. Wir haben zwei OP-Tische am Ende der Ausstellung, wo sich Besucher hinlegen können und an die Decke werden Filmszenen projiziert.

Entwürfe für die Filmproduktion. Venuslandschaft mit „Omega“, Szenenbildentwurf: Alfred Hirschmeier aus „Der schweigende Stern“ (DDR/Polen, 1960, Regie: Kurt Maetzig) Quelle: Filmmuseum Potsdam, Bestand Alfred Hirschmeier
Gab es für Sie Überraschungen im Rahmen der Recherchen?
Obwohl ich mich schon immer für Science-Fiction interessiert habe, sind mir durchaus neue Erkenntnisse gekommen. Insbesondere was den Science Teil angeht. Wir haben dazu auch einen 170-seitigen Katalog veröffentlicht, der sich sehr eng an der Ausstellung orientiert und viele Aspekte vertieft. Ich selber habe mich sehr mit der Schwerelosigkeit beschäftigt. In diesem Zusammenhang muss man natürlich „Gravity“ von Alfonso Cuarón erwähnen, der versuchte so realistisch wie irgend möglich die Schwerelosigkeit darzustellen. Ich glaube, dieser Realismus und diese geradezu wissenschaftliche Umsetzung von Science-Fiction-Themen das mich besonders fasziniert und sollte auch für die Besucher sehr anziehend sein.
Ausstellung vom 30.Juni 2016 bis 23. April 2017 im Museum für Film und Fernsehen, Berlin (Potsdamer Platz)